3 Fragen an 5 OB-Kandidat*innen

Am 8.November wählt Stuttgart eine neue Oberbürgermeisterin oder einen neuen Oberbürgermeister. Wir haben den 5 aussichtsreichsten Kandidat*innen Fragen zu den Themen Digitalisierung, Bildungschancen und  Medienbildung gestellt. Hier sind ihre Antworten.

Frage 1 – Digitalpakt Schule: auf die Kommunen kommt es an

An vielen Schulen fehlt es aktuell an Personal und Infrastruktur, digitale Geräte sinnvoll einzusetzen und zu verwalten. Wie werden Sie als künftige*r Oberbürgermeister*in von Stuttgart die Umsetzung des „Digitalpakts Schule“ auf kommunaler Ebene steuern?
Wie erreichen Sie, dass die Bedürfnisse der unterschiedlichen Schulen, Lehrkräfte und Schüler*innen berücksichtigt werden und die Technik auch pädagogisch und inhaltlich sinnvoll genutzt werden kann?

Veronika Kienzle

In der Tat: Auf die Schulen kommt es an! Als künftige Oberbürgermeisterin kann ich Veränderungen und Verbesserungen nur in bestimmten Bereichen bewirken: Ich werde darauf drängen, dass die Stuttgarter Schulen vollends alle schnell an ein leitungsfähiges Glasfasernetz angeschlossen und die Klassenzimmer vernetzt sind. Bei den Geräten werde ich darauf achten, dass sie möglichst technologieoffen und pädagogisch sinnvoll sind.
Und ich werde die Schulen vor allem in der Erstellung von Medienentwicklungsplänen unterstützen. Das Stadt- und Landesmedienzentrum versammelt hier viel Kompetenz, auf die die Schulen im Bedarfsfall zurückgreifen können. Auch die Hinzuziehung von externen Experten als Angebot an die Schulen halte ich für möglich.

Martin Körner

Ich möchte die Digitalisierung möglichst schnell vorantreiben. Dazu muss im ersten Schritt eine zügige Antragsstellung für die Mittel des „Digitalpakts Schule“ und die dazugehörige Medienentwicklungsplanung erfolgen. Bei der Medienentwicklungsplanung muss einerseits berücksichtigt werden, dass die beschafften Geräte gut zentral zu steuern sind. Gleichzeitig müssen die Schulgemeinden vor Ort gut eingebunden werden, damit die Ausstattung auch zur jeweiligen Schule passt und dort pädagogisch sinnvoll genutzt werden kann. Dafür und auch für den notwendigen Support ist eine ausreichende Personalausstattung im Schulverwaltungsamt unabdingbar.

Frank Nopper

E-Learning und digitalen Unterricht in den Schulen zu fördern, wird ein Thema sein und bleiben. Die Corona-Krise hat der Digitalisierung einen weiteren Schub gegeben. Wir haben gesehen, wie wichtig digitale und hybride didaktische Konzepte sind. Diesen Prozess will ich aktiv und nachhaltig mitgestalten! Schulen brauchen neben einer funktionierenden Ausstattung medial geschulte Lehrkräfte und eine leistungsstarke Lernplattform, die von Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und auch Eltern gut benutzt werden kann. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die 30 Millionen Euro aus dem Digital-Pakt von Bund und Ländern, die für Stuttgarts Schulen reserviert sind, schnell und direkt von den Schulen abgerufen werden können! Mit einer Digitalisierungsoffensive will ich die Ausstattung der Schulen aufstocken. Außerdem die Versorgung mit Internetanschlüssen und die Erhöhung der Bandbreite sicherstellen.
Des Weiteren unterstütze ich das von Ihnen erwähnte Vorhaben voll und ganz. Hierfür ist eine enge Abstimmung zwischen Schulgemeinde, Schulverwaltungsamt und dem Land als Kompetenzträger für pädagogische Ausgestaltung notwendig.

Hannes Rockenbauch

Lehrinhalte und Lehrpersonal sind Landesangelegenheit. Im Rahmen der Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen kommt auch städtisches Personal bzw. Personal der freien Träger zum Einsatz. Diese Personalausstattung will ich ausbauen und fachlich und pädagogisch schulen lassen. Denn die wichtigste Aufgabe ist, dass genügend Personal für die Einbindung von digitalen Endgeräten in der pädagogischen Arbeit vorhanden ist. Und natürlich die Infrastruktur (im Sinne von Glasfaseranschluss, W-Lan (oder besser VLC) vorhanden ist.
Es darf nicht den Lehrer*innen aufgebürdet werden, sich um die Pflege und Funktionalität von Endgeräten und Plattformen zu kümmern – hier muss Personal eingestellt werden, die direkt helfen, wenn etwas nicht funktioniert. Bei der Beschaffung der entsprechenden Geräte hat die Landesregierung ja bereits Bestellungen aufgegeben (oder dies zumindest angekündigt). Aufgabe der Stadt ist es für die passenden Raumausstattung und den Glasfaseranschluss zu sorgen.

Marian Schreier

Wir brauchen eine deutliche Beschleunigung bei der Digitalisierung der Schulen. Das heißt für mich konkret Glasfaseranschlüsse und WLAN an allen Schulen sowie digitale Endgeräte für alle Schülerinnen und Schüler. Aktuell ist die Umsetzung nicht wegen fehlender Mittel verzögert, sondern weil teilweise Organisationsstrukturen verbesserungsbedürftig sind. Ich möchte die digitale Ausstattung der Schulen künftig zentral steuern. Digitale Ausstattung ist nur die notwendige Bedingung. Damit digitaler Unterricht gelingt, braucht es qualifizierte und gut geschulte Lehrkräfte. Deshalb hat für mich die Qualifizierung der Lehrkräfte hohe Priorität und ich unterstütze entsprechende Vorhaben.

Frage 2 – Bildungschancen für alle

Die Schulschließungen während der Corona-Pandemie stellten insbesondere Familien mit mehreren Kindern und sozial und finanziell benachteiligte Familien vor große Herausforderungen. Was wäre Ihr Ansatz als Oberbürgermeister*in, damit diese Familien beim Thema Bildung, Digitalisierung und Partizipation nicht abgehängt werden?

Veronika Kienzle

Hier halte ich ein Instrument wie die „Präventionskette“ für sehr sinnvoll: Jedes Kind erhält eine fördernde, bedürfnisorientierte, bedarfsgerechte und jederzeitige Begleitung, wenn erforderlich von der Geburt bis zum erfolgreichen Berufseinstieg. Familien und Kinder erhalten dadurch die passgenauen und abgestimmten Angebote, die sie brauchen.

Martin Körner

Zuerst muss kurzfristig allen Schülerinnen und Schülern ermöglicht werden, an einem eventuell notwendigen Fernlernen aufgrund von Quarantäne der Klasse o.ä. teilnehmen zu können. Dafür müssen die 13.000 neu angeschafften Tablets zügig in das schulische Netz eingebunden und als Leihgeräte an jene Schülerinnen und Schüler ausgegeben werden, die ansonsten keinen Zugang zu einem geeigneten Endgerät haben. Außerdem möchte ich verstärkt Angebote wie zum Beispiel kostenfreie und kostengünstige Nachhilfe schaffen, um insbesondere diejenigen zu unterstützen, die beim Fernlernen während der Schulschließungen im Frühjahr „abgehängt“ wurden.

Frank Nopper

Die Corona-Pandemie ist für Familien mit Kindern in vielerlei Hinsicht eine besondere Herausforderung. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass wir aus den Erfahrungen des ersten Lockdowns lernen. Die Öffnung von Jugendhäusern und Jugendeinrichtungen unter Einhaltung der Bestimmungen für von der Pandemie benachteiligten Schülerinnen und Schülern stellt in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit dar. In diesen kann ihnen digitale Infrastruktur und Betreuung bereitgestellt und ermöglicht werden. Wichtig hierbei ist, dass die Erfahrungen der Betroffenen beachtet und miteinbezogen werden.

Hannes Rockenbauch

Schon in „normalen“ Zeiten fehlen digitale Zugangsmöglichkeiten (E-Mail-Adressen und digitale Endgeräte z. B. Drucker) sowie ungestörte Lernräume im häuslichen Bereich. Diese Benachteiligungen treten in Zeiten wie Corona im Homeschooling noch viel deutlicher zu Tage, insbesondere in beengten Wohnverhältnissen oder auch auf Dauer unzumutbaren Wohnverhältnissen wie sogenannte Sozialhotels und Unterkünfte für Geflüchtete.

Hier sind auch die schon in der 1. Antwort angesprochenen Maßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus sind den in unzumutbaren Wohnverhältnissen Lebenden möglichst schnell angemessene Wohnräume anzubieten. Grundsätzlich trete ich für Gemeinschaftsschulen ein und längeres gemeinsames Lernen. Ich halte es für sehr wichtig, dass ausreichend Schulsozialarbeiter*innen an den Schulen aktiv sind, die dafür notwendige Ausstattung muss bereitgestellt werden. Ein wichtiger Ansprechpartner ist auch das Stadtmedienzentrum Stuttgart mit seinen vielfältigen Angeboten.

Marian Schreier

Wir müssen alles unternehmen, dass gerade während der Pandemie kein Kind zurückgelassen wird. Das beginnt mit der Teilnahme am (digitalen) Unterricht. Deswegen muss die Stadt schnellstmöglich digitale Endgeräte gerade für Schülerinnen und Schüler aus finanziell benachteiligten Familien bereitstellen. Entsprechende Beschlüsse hat der Gemeinderat dazu schon gefasst. Digitale Endgeräte sind aber nur mit einer ausreichend schnellen Internetverbindung nutzbar. An vielen Schulen und in manchen Haushalten ist diese nicht gegeben. Kurzfristig Abhilfe kann hier durch Funklösungen geschaffen werden.
Ein weiterer Fokus sollte m.E. auf dem Thema Nachhilfe und Lernbegleitung liegen. In finanziell benachteiligten Familien fehlen oft die Ressourcen dafür. Hier sollte die Stadt, sofern nicht Programme des Landes greifen, mit eigenem Engagement reagieren.
Schließlich ist das Schulmittagessen für viele Kinder wichtig, weil es die einzige warme Mahlzeit am Tag ist. Für den Fall von Schulschließungen sollte die Stadt hier mit Ersatzangeboten reagieren, z.B. in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden.

Frage 3 – Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche

Auch im außerschulischen Bereich ist der Bedarf an medienpädagogischen Angeboten groß. Welche Möglichkeit sehen Sie, Medienbildungsmaßnahmen in der Stadt und den einzelnen Stadtteilen zu stärken und zu fördern?

Veronika Kienzle

Ich halte die Vermittlung von Medienkompetenz für eine zentrale Aufgabe unserer Zeit – eine Aufgabe, an der wir aber noch sehr viel arbeiten müssen. Ich glaube, dass unserer Stadt das Haus für Film und Medien dringend braucht. Hier kann der Umgang mit Medien geschult, erfahren, praktiziert werden. Aber auch heute schon haben wir z.B. mit der Stadtbibliothek und ihren Dependancen in den Stadtbezirken sowie der Volkshochschule schon gute Bildungsangebote. Zudem hat sich Stuttgart in den letzten Jahren einen Ruf als Filmstadt erarbeitet, ich könnte mir vorstellen, auch während der Festivals mehr Angebote für Kinder und Jugendliche ins Begleitprogramm zu nehmen.

Martin Körner

Medienbildungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche sind wichtig – nicht zuletzt, um Stuttgart langfristig als Bildungs- und Wirtschaftsstandort zu festigen. Die Heranführung an diese Medien sollte daher auch außerschulisch früh und breit angelegt erfolgen. Ich sehe die Volkshochschule hier als Schlüssel, um Medienkompetenz niederschwellig und vor Ort in den Stadtteilen zu vermitteln.

Frank Nopper

Stadtteilbibliotheken, Bezirksrathäuser, Volkshochschulen, Vereine und Initiativen können und müssen in diesem Sinne stärker für die digitale Medienkompetenz sensibilisiert werden. Somit können wir zur Stärkung und Förderung der Medienbildungsmaßnahmen beitragen.

Hannes Rockenbauch

Medienkompetenz ist wichtig – Kinder und Jugendliche müssen lernen, mit digitalen Formaten zu lernen und zu arbeiten. Wichtige Anbieter für außerschulische Medienpädagogik sind u. a. die Kinderbibliotheken in den dezentralen Stadtteilbibliotheken und die Mobile Medienschule Stuttgart Ost. In vielfältigen Angeboten lernen Kinder die Medien zu beherrschen und nicht von ihnen beherrscht zu werden. Ein Ausbau dieser Angebote werde ich als Oberbürgermeister soweit wie möglich unterstützen. Auch analoges Lernen bleibt wichtig für Sozialverhalten und Sozialkompetenz in der Familie, Schule und Freizeit.

Marian Schreier

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist ein zentraler Schlüssel um mit neuen und digitalen Medien sicher und differenziert umgehen zu können und damit enorm wichtig für Kinder und Jugendliche und deren weiteren Lebensweg – privat und beruflich. Das hat nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie eindrucksvoll gezeigt. Insbesondere das Internet bietet große Chancen für Bildung und informationelle Selbstbestimmung, birgt aber auch Risiken, wie z.B. Cyber-Bullying, Cyber-Grooming und ähnliche netzbasierte Gefährdungspotenziale, insbesondere auch in Social Media. Um Kinder und Jugendliche mit der notwendigen Handlungssicherheit und Souveränität im Umgang mit unterschiedlichen Medienformen und -formaten auszustatten, gibt es mehrere außerschulische Möglichkeiten. Ich möchte die mobile Jugendarbeit stärken, die mit entsprechenden Projekten gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Projekte zur Medienkompetenz umsetzen kann. Mit den Jugendhäusern und der Volkshochschule bieten sich weitere Möglichkeiten. Aber auch Mehrgenerationenhäuser können ein geeigneter Ort für die Vermittlung von Medienkompetenz sein – schließlich lernt auch die ältere Generation im Bereich der modernen Medien stets dazu und hier gibt es vieles, was Alt und Jung gegenseitig voneinander lernen können.